Ja, sie sind Meister… Meister der Realitätsverweigerung!
Wie nicht anders zu erwarten, wehren sich die letzten Pfründewahrer der Fotografenzunft verzweifelt gegen die Öffnung des Gewerbes. Beinahe mag man Mitleid verspüren, wenn die Argumente des vor-vorigen Jahrhunderts gebetsmühlenartig herunter geleiert werden… aber nur beinahe! Die gleiche, angeblich um Qualitätssicherung bemühte Zunft verfolgte im letzten Jahr derart mitleidslos all jene, welche ohne Meisterbrief in den Gewässern der Berufsfotografen zu fischen gewagt haben. Darunter waren auch Hersteller von Fotopanoramen für ihre eigenen (!) Internet-Seiten, Werbefotografen und viele andere, die niemals Kontakt zu konsumentenschützerisch relevanten „Endkunden“ von Schöpfungen fotografischer Handwerkskunst hatten sondern rein im B2B-Bereich tätig waren, wo das Qualitätsschutz-Argument bekannter Weise ins Leere geht. Aber jedes „Schwarze Schaf“ sollte unter den Fotografen von der innunglichen Jagdgesellschaft erlegt werden, ohne Rücksicht auf Verluste.
Zurück zu den Argumenten des vor-vorigen Jahrhunderts, wie sehen diese aus? In einem Pamphlet appellieren zwei Berufsfotografen, das Gewerbe weiterhin streng zu reglementieren. Zunächst erfolgt etwas Selbstbeweihräucherung: „Der Berufstitel ‚Fotografenmeister‘ gilt als Zeichen für gut ausgebildete und staatlich geprüfte Personen eines Handwerksberufes, welcher auch in den Medien entsprechend beworben wird und zudem der Berufstitel ‚Fotografenmeister‘ auch in der Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert hat. Er zeichnet den Träger(in) als fachlich kompetenten Fachmann/frau aus. Der ‚Meisterbetrieb‘ ist auch in der Fotografie ein Zeichen für Qualität, Verlässlichkeit, Kompetenz und Gewährleistungspflicht und erklärt die gewachsene Akzeptanz und Vertrauen der Kunden / Bevölkerung in einen Fotografenmeister.“ Ja schön und gut, doch niemand will Euch den schönen Titel eines ‚Fotografenmeisters‘ wegnehmen, wenn dieser als Qualitätszeichen akzeptiert ist, wo liegt das Problem? Wehrt sich die Innung der Tischler gegen IKEA, weil der Elch kein österreichischer Tischlermeister ist? Nein? Eben!
Dann wird es leicht lächerlich: „Auch die Herstellung von amtlichen Lichtbildern für diverse, persönliche Dokumente (Reisepass, Führerschein, Personalausweise, Behindertenausweise udgl.) gehört daher zum Kompetenzbereich eines Fotografenmeisters, kann hier doch die Produkthaftung eines Meisterbetriebes zum Vorteil des Endverbraucher schlagend werden und ist ein wesentlicher Bestandteil des Konsumentenschutzes.“ Sicher hebt es das Selbstwertgefühl einer Putzkraft erheblich, wenn sie als ‚Senior Facility Manager of the Purgation Department‘ tätig sein kann, aber der Schmutz wird davon auch nicht schöner, noch riecht er deshalb nach Rosen. Und jeder Automat kann doch ein Passbild anfertigen! Lesen wir nächstes Jahr Verfügungen wie: „Im Namen der Innungsrepublik unter seiner Luzifizenz KR Strauss wird es dem Beklagten Fotoautomat Nummer 08154711 untersagt, in Zukunft Passbilder gegen Entgelt anzufertigen“? Und die berechnende, taxative Erwähnung von Menschen mit besonderen Bedürfnissen soll wohl ein Tränlein des Mitleids in die Augen einiger Parlamentarier zaubern, wenn es zur Abstimmung kommt. Nein, gegen DIE können wir doch nicht stimmen… wer macht denn sonst die zauberhaften Passfotos in den Behindertenausweisen?
Weiter im Text: „Für den Unternehmerkunden sind es vorrangig die fachlichen Kenntnisse des Fotografenmeisters in Bezug auf Aufnahmetechniken, Lichtführung, Optik, digitale Techniken sowie die daraus entstehenden Möglichkeiten, Dienstleistungen bzw. Produkte des Unternehmenskunden durch ein perfektes Bild werbetechnisch optimal am Markt zu platzieren. Gerade zu einer Zeit, in der das Marketing ohne hochqualitatives Bildmaterial nicht mehr vorstellbar ist, stellt das Abgehen einer in der EU anerkannten Berufsqualifikation eine große Gefahr für den Kunden dar, da die EU-Produkthaftung nur für einen Meisterbetrieb Geltung besitzt.“ Großartig! Aber was machen dann die vielen Fotos von Stockfofoagenturen in Zeitungen, Magazinen, Werbebroschüren, wie auch in den eigenen Publikationen der Kammern und Innungen? Das Qualitäts-Argument glaubt doch nicht einmal mehr die Innung selbst!
Und die in den freien Gewerben Tätigen wissen, dass Konsumentenschutz auch dort funktioniert – warum fordert die Innung im Sinne des Konsumentenschutzes nicht auch Zugangsbeschränkungen für zahlreiche freie Gewerbe? „Gefahrgutbeauftragter“, „Asphaltierer“, „Baumfällung und Rodung“, „Betrieb einer Anlage zur Erzeugung und Lieferung von Wärme und Gas“, „Betrieb einer Brauerei“, Betrieb einer Kläranlage“, „Betrieb eines Hallenbades“, „Durchführung der Tätigkeiten von Brandschutzbeauftragten“, „Emailleur“, „Erstellung von Sport- und Fitnesskonzepten“, „Erzeuger von Lebensmittelkonserven aller Art und tiefgekühlten Lebensmitteln“, „Erzeugung von Biodiesel“, usw. usf., dies sind allesamt freie Gewerbe, und überall dort lastet auf den Gewerbetreibenden eine wesentlich höhere Verantwortung als auf einem Passbildfotografen oder einem Hochzeitsfotografen, der bestenfalls mit seinem Teleobjektiv das Schlagobers von der Hochzeitstorte reissen könnte. Hach, welche Verantwortung, was für ein Gefahrenberuf: „Hansi, bleib mit der Kamera von der Torte weg… Achtung, der Zuckerguss… du tückischer Reis, in meiner Fototasche… Pass doch auf, der Sektkorken… aah, schon wieder voll auf’s Aug‘!“
Weiter im Text: „Die hohe Wertigkeit des österreichischen Berufsabschlusses = Meisterprüfung innerhalb des EU-Raumes ist für viele Kreative die Hauptmotivation, diesen Beruf zu erlernen und auf hohem Standard auszuüben.“ – ha ha, aber träumt ruhig weiter!
„Die Fotografie ist sowohl direkt als auch indirekt ein Teil des Wirtschaftsmotors im EU-Raum.“ Hmmm. Die österreichische Fotografie soll also die Lokomotive der europäischen Wirtschaft sein? Wenn, dann eine keuchende Dampflok! Zwar steht sie noch halbwegs unter Dampf, aber wohl eher deshalb, weil die Kohle der Zwangsmitglieder dafür verheizt wird! „Tschuk-ta-ta-ta, tschuk-ta-ta-ta, huiiiii! Sie befinden sich im hundert Jahre alten „Österreichischen Photographen-Express“, ein Produkt der innunglichen k&k Dampffotomaschinenmanufaktur, das es bei voller Fahrt auf acht Stundenkilometer bringt… des is echt a Wahnsinnstempo, da müssen sich die Lehrbuam guat festhalten, damits net von der Lok obafoin! Des Klopfen und Bumpern an den Waggons braucht Sie net zu beunruhigen, des san nur die freien Fotografen – aber die lass ma eh net rein! Nächster Halt: Schrottplatz!“
„Zur Erlangung des Berufsabschlusses im Fotografenhandwerk der Meisterprüfung ist eine umfangreiche Ausbildung erforderlich. Diese umfasst die Bereiche Optik, Physik, Chemie, Lichtlehre, Kamerakunde, Aufnahme-techniken, Geschichte, Urheberrecht, Fachmathematik, Fachkalkulation, elektronische Bildverarbeitung sowie klassische und moderne Ausgabe-techniken sowie Drucktechniken.“ Die Meister also um Licht-Jahre voraus… Yes, we might be impressed, doch irgendwie werde ich leider eher an den ‚Senior Facility Manager of the Purgation Department‘ erinnert. Wie schade ist es auch, dass in den Schaufenstern vieler Fotografenmeister geschweige denn in den Innungsbroschüren von diesen enormen Kenntnissen nicht wirklich viel zu sehen ist! Und wo bleibt dann bei so viel Können und Wissen der längst überfällige Nobelpreis für Kamera-Kameradismus? Oder wenigstens ein Kammer-Oscar samt Gala in der Sky-Lounge? Gutes, altes Österreich, nur du kennst einen „Kammerrat der Kamera-Kameraden“ (c)Anton Fielhauer
Der Ton gegen Schluss wird all zu weinerlich-larmoyant und nur noch durch ein wahres Feuerwerk an Grammatik- und Orthografiefehlern übertroffen: „Mit der Streichung des Meister-Titels als Zugangsvorraussetzung zum Berufsfotografengewerbe, durch die geplante Novelle, leidet die Wettbewerbsfähigkeit eines ganzen Berufsstandes des Staates Österreich, in der Art, als das ein weiteres, wichtiges von der Europäischen Union anerkanntes Instrument der Qualitätssicherung durch eine unverhältnismäßige Liberalisierung gefährdet wird.“ Joi mamam, Deitsches Sprach, schweres Sprach! Aba fir Deitsch nix war Zeit, bei so fil anderes Fachwißen! Aba Parlamänt wird sich trozdem gleich auskenen tun, wenns den Brif lesen. Deitsch nix schen, dafir Bilda sehr schen! Halt, du warten! Bitte nix wegrennen! Ich dir doch Warheit sagen über Gewerbefreiheit! Einunzwanzigste Jahrhundert nix gut, jeder arbeiten was wollen! Aber wir mit freie Fotografen machen Kickboxen, und… halt, Du da bleiben und mir zuhören… bitte!!!
Epilog
Was tun, Seifenstein, die Liberalisierer sind im Anmarsch… aber beim Namen der ehrwürdig-altvaterischen Altmeister, nein! Wir empfangen sie nicht! Was sagt ihr, das Volk will sein eigenes frisches Brot mit Fotografie verdienen? Niemals! Soll es doch weiter unseren hundertjährigen Innungs-Kuchen essen, mit dem herrlichen Schimmel darauf, der schadet doch keinem… Seifenstein? SEIFENSTEIN????
Autor: Viktor Zdrachal
Der Text enthält dramatische Überzeichnungen und ist als Satire zu verstehen.