Die Innung der Taxilenker veranstaltete vor kurzem ein Seminar, bei dem die Mitglieder der Innung – Taxifahrer mit langjähriger Berufserfahrung – Gelegenheit haben sollten, Tipps zu bekommen, wie sie ihre Fahrkünste verbessern können. Die Veranstaltung wurde groß in den monatlichen gedruckten Nachrichten der Innung angekündigt und beworben. Es wurde dazu der Stuntman aus dem Film „Taxi III“ gebucht, weil dem Innungsmeister die Verfolgungsjagden so gut gefallen haben. Natürlich war der Stuntman nicht billig, aber die Brieftasche der Innung ist dank der Mitglieder gut gepolstert.
Dummerweise fährt der Stuntman gar keine echten Autos, sondern Spezialfahrzeuge für Hollywood-Produktionen. Um dem noch die Krone aufzusetzen, stellt sich heraus, dass der gute Mann gar keinen Führerschein besitzt. Ein „Fahrkunstseminar eines Führerscheinlosen für Führerscheinbesitzer“ also.
Wie vertretbar ist es, wenn die Innung der Taxifahrer einen Stuntman für Spezialfahrzeuge bucht, der keine Fahrschule besucht und keine Fahrprüfung bestanden hat, um den Mitgliedern der Innung (auf deren eigene Kosten!) das bessere Fahren beizubringen?
Doch halt, Moment! Es war gar nicht die Taxi-Innung, sondern die Innung der Berufsfotografen, die den Mann ohne Führerschein bezahlt hat. Und natürlich geht es nicht um Fahren ohne Führerschein, sondern um die bekannte Befähigungsprüfung für Fotografen. Aber es geht doch um Hollywood – um Calvin Hollywood, um genau zu sein.
Der ist Fotograf und beschreibt sich auf seiner Website wie folgt: „Ich verdiene mein Geld mit Seminaren, Tutorials für Zeitschriften, DvDs und Post Production für Fotografen. Von dem her habe ich keinen eindeutigen Kundenkreis. Ich möchte aber in naher Zukunft meinen Aufgabenbereich erweitern… Ich war in Wien zu einem Coaching in einem Portraitstudio gebucht… Das Seminar war eigentlich eher ein Vortrag. Knappe 5 Stunden lang habe ich meine besten Tipps und Tricks zum Thema Portraitretusche, schnelles Freistellen und Farbmanipulationen vermittelt. Am Ende noch 30 min Social Media! Das war ein echt toller Abend mit einem super Publikum (knapp 75 Berufsfotografen).“ (Calvin Hollywood Photography Blog v.a. vom 6. März 2011, Adobe Kreativportal)
Mit dieser Selbstbeschreibung braucht jeder in Österreich tätige Fotograf einen Gewerbeschein, auch freiberufliche Fotografen aus dem EU-Ausland dürfen sich, wie die Innung gerne betont, in Österreich ebenfalls nicht ohne Gewerbeschein dauerhaft betätigen. Sicher ist dann Herr Hollywood ein Fotograf alter Schule, oder? Weit gefehlt!
„Ich bin sehr glücklich darüber daß ich auf meinen Seminaren „Calvin Hollywood“ vermitteln kann und nicht „nur“ das Produkt Photoshop. Ich habe das alles nie gelernt und habe auch nie einen Workshop besucht. Ich bin purer Autodidakt und nutze viele Techniken wie man sie, schulisch gesehen, eigentlich nicht anwendet. Zudem habe ich eine sehr direkte und offene Art meine Seminare durchzuführen und lege auch Wert auf Unterhaltung.“ (Adobe Kreativportal, „Kreativer der Woche“, 7. September 2010)
Die Tatsache, dass die gleiche Innung der Berufsfotografen, die stets so viel Wert darauf legt, dass „eine Ausbildung befähigungsnachweisrelevant und fachspezifisch zu sein hat“ (aus dem Brief der Innung an einen Antragsteller) einen Mann ohne fachliche Ausbildung dafür bezahlt, ihren ausgelernten Fachgruppenmitgliedern beizubringen „viele Techniken zu nutzen, die man schulisch gesehen eigentlich nicht anwendet“, ist beschämend für die Innung, ihr Niveau, und am Ende einfach nur lächerlich.
Die teilnehmenden Berufsfotografen hatten für die Veranstaltung einen Betrag von 39.- Euro an die Innung zu bezahlen, Lehrlinge die Hälfte. So weit, so gut. Nun wurden die Kammermitglieder in der Einladung ausdrücklich dazu aufgefordert, auch Nicht-Kammermitglieder zu der Veranstaltung mitzunehmen (wörtlich: „… Ihre MitarbeiterInnen…“), wobei aus der Einladung nicht hervorgeht, dass diese keinen „Unkostenbeitrag“ zu bezahlen hätten. Was hier also so verharmlosend unter „Unkosten“ firmiert, ist vielmehr simpel das Eintrittsgeld zu einer halböffentlichen Veranstaltung, um so mehr, als kein Kostenanteil sondern ein fixer Betrag eingehoben wurde.
Fassen wir zusammen: Die Innung veranstaltet gegen Eintrittsgeld eine größere Veranstaltung, wobei der Hauptreferent des Abends laut geltendem österreichischen Gewerberecht als ein „unbefugt Gewerbetreibender“ einzustufen ist, zumindest was seine fotografische Tätigkeit betrifft. Kann die Innung logisch erklären, wieso sie einen „ungelernten“ Fotografen (in Österreich auch Pfuscher genannt) damit beauftragt, 75 angeblichen Profifotografen so essenzielle Dinge wie Look-Findung, Bildstil, Arbeiten mit Photoshop und Portraitretusche näher zu bringen?
Wenn man die selben strengen Maßstäbe anlegt wie die Innung selbst es bei ihren „Gutachten“ in den Stellungnahmen zu Gewerbeanträgen tut, wo selbst die „… mehrjährige fotografische Tätigkeit im Ausland … mangels befähigungsnachweisrelevanter fachspezifischer Berufsausbildung nicht anerkannt werden kann“, muss auch Calvin Hollywood, der die Fotografie laut eigener Aussage ebenfalls „nie gelernt“ hat, in Österreich formell als „nicht befähigt“ gelten. Und wie weit ist die Innung dann noch von einer Verwaltungsübertretung enfernt? „Einer Verwaltungsübertretung (Geldstrafe bis zu € 2.180,–) macht sich auch der Auftraggeber schuldig, der sich eine Tätigkeit besorgen lässt oder jemanden zu einer Tätigkeit veranlasst, obwohl er wissen musste, dass sich dieser dadurch der unbefugten Gewerbeausübung schuldig macht.“ (wko.at, betr. § 367 Z 54 GewO) Das Arbeiten mit Photoshop, Portraitretusche, usw. fällt sicher in den Bereich der unbefugten Gewerbeausübung, und berechtigt demnach wohl kaum zu einem bezahlten Fachreferat über diese Themen vor Gewerbetreibenden. Oder hält demnächst ein Mafioso einen Buchhaltungskurs in der Innung ab?
Wie wenig ernst es den Innungsverantwortlichen mit dem „Schutz des österreichischen Handwerks“ ist, zeigt sich an einer weiteren bizarren Facette: Sowohl die Einladung zum Seminar: „Hollywood, wir kommen!“, als auch die Einladung zur Fachgruppentagung der Berufsfotografen Wien wurden nämlich nicht von einem konzessionierten Fachbetrieb gedruckt, sondern handgestrickt gelayoutet als ganz gewöhnliche Digitalkopien verschickt: „Druck: Eigenvervielfältigung – Wirtschaftskammer Wien…“. Wieso wurde im Sinne der Förderung des Gewerbes nicht ein österreichischer Fachbetrieb beauftragt?
Das nächste Schmankerl findet sich wieder im Impressum: „Foto ©Emin Ozkan – Fotolia.com“ – In der Innung der Berufsfotografen ist man also auf Dienste einer Stockfotoagentur angewiesen? Und das, obwohl allgemein bekannt ist, dass diese Agenturen das Fotografengewerbe erheblich schädigen! Wie krank ist das, bitte? Aus der Eigenwerbung von Fotolia: „lizenzfreie Fotos 1€ … im Abo ab 0,14€“. Die Innung als Auftraggeber bezahlt also einem Fotografen gerade mal zwischen 14 Cent und einem Euro als Honorar für ein Foto?
Da auch das Layout nicht von einer konzessionierten Firma gestaltet wurde – wiederum: Handwerk, ade! – haben sich erwartungsgemäß Fehler eingeschlichen. Das Logo der Wiener Berufsfotografen und Reprografen sieht nun etwas verändert aus (siehe Faksimile), was für einen Standesvertreter der Reprografen schon peinlich genug sein sollte.
Noch peinlicher – für einen Berufsfotografen – ist allerdings, wenn sich ein für jeden echten Fachmann leicht zu entdeckender „Spiegelungsfehler“ eingeschlichen hat, und ein Foto seitenverkehrt abgebildet zu sehen ist. Auf www.photoshopdisasters.com werden diese Fehler von Profis gerne belacht. Einem aktiven Innungsmeister der Berufsfotografen und seinen Funktionären dürften derartige Faux Pas allerdings nicht passieren!
Faksimile 1: Die Einladung zum „Fahrkunstseminar eines Führerscheinlosen für Führerscheinbesitzer“:
Faksimile 2: Das Impressum, mit Eigenverlag und Fotolia Quellennachweis:
Faksimile 3: Das verhunzte Logo der Berufsfotografen:
Faksimile 4: Leonardo da Vinci’s Objektiv, spiegelverkehrt beschriftet. Eknad, Rreh Retsiemsgnunni Mruwniew!