Ein Skandal ersten Ranges bahnt sich nach den Angaben der Berufsfotografin und Mit-Initiatorin der Petition für die Freigabe des Gewerbes, Lisi Specht, im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats an: Trotz erfolgtem Beschluss der Freigabe des Fotografengewerbes durch das Wirtschaftsministerium und den Ministerrat – somit also der legitimierten Entscheidungsträger der Republik – fühlen sich einige Handlanger der Innung verpflichtet, dem Namen des Ausschusses alle Ehre zu machen, und veritablen Ausschuss zu produzieren: Im Stile einer Mogelpackung soll der Status Quo durch „Schönreden“ zu einer Neuerung mutieren, und in Zukunft eine (neuerlich nicht näher definierte) Praxis von fünf Jahren zum Erwerb des Gewerbescheins berechtigen.
Genau dies ist aber bereits derzeit Gesetz – wenn auch „nur“ als Teil jener noch immer nicht vollständig in nationales Recht überführten (und daher auch noch nicht vollständig in Kraft getretenen) „horizontalen“ EU Richtlinie 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie). Selbst nach geltendem Recht besteht nach einer facheinschlägigen Tätigkeit in leitender Stellung („alleinverantwortlich“) im Ausmaß von fünf Jahren das Anrecht, die individuelle Befähigung zum Berufsfotografen aussprechen zu lassen. Diese Regelung ersetzte somit die frühere „Nachsicht“-Regelung der Gewerbeordnung. Die Innung weigerte sich nur bisher in absurder Logik, eine Tätigkeit zum Beispiel als Pressefotograf als „ausreichend qualifiziert“ anzusehen, und verweigerte die Anerkennung. Eine zukünftige Anerkennung der Pressefotografentätigkeit als „facheinschlägige Tätigkeit“ wäre nun wohl kaum ein Fortschritt zu nennen, sondern bestenfalls eine Aufgabe des bisherigen, völlig realitätsverweigernden Standpunktes der Innung.
Wie gesagt, nur dies soll sich jetzt ändern. Sonst nichts.
Meine lieben Damen und Herren des Wirtschaftsausschusses: Das ist leider inakzeptabel! Wir hoffen dringend, dass ein derartiger Pfusch nicht ernsthaft erwogen wird!
Allein die Beschränkung der Überlegungen auf Pressefotografen widerspricht bereits dem geforderten Gleichheitsgrundsatz. Werden künstlerische Tätigkeiten, die im Auftrag erfolgen, als gewerblich definiert (was wir zwar strikt ablehnen, aber die Innung pflegt dies als gegeben anzunehmen), dann stellt die fortgesetzte Annahme künstlerischer Auftragsarbeiten – und zwar unabhängig von einer allfällig erfolgten Bezahlung derselben – auf jeden Fall bereits eine facheinschlägige Betätigung im Sinne des Gewerberechts dar. Würde dies im Zuge des Befähigungsnachweises geleugnet, wären automatisch auch sämtliche in den letzten Jahren angestrengten Unterlassungsverfügungen die an Künstler ergangen sind unrechtmäßig gewesen, bzw. wären solche Verfügungen an Künstler seitens der Innung in Zukunft zu unterlassen.
Künstlerisch tätige Fotografen dürfen jedenfalls in Zukunft nicht benachteiligt werden, und müssen daher ein identes Anrecht auf Anerkennung erhalten – also nach fünfjähriger Ausübung der künstlerischen Fotografie ebenso das Anrecht auf Erteilung der individuellen Befähigung erworben haben. Laut Definition der EU-Richtlinie (und somit des harmonisierten österreichischen Gewerberechts, das ebenfalls nur eine selbstständige Tätigkeit vorschreibt, ohne einer Pflicht, hieraus bereits kurzfristige Gewinne erzielt haben zu müssen) wären diese Fotografen jedenfalls definitiv anspruchsberechtigt, und die individuelle Befähigung wäre ihnen auf Antrag auszusprechen.
Durch die den Künstlern zugestandene Befreiung von der Versicherungspflicht bei geringen Umsätzen würde dies aber bedeuten, dass Künstler in vielen Fällen bereits mehrjährig und vollzeitig als Fotografen (so zu sagen während ihrer Lehrjahre im „Selbststudium“) tätig gewesen sein können, aber – wie es ja öfters der Fall ist – ohne als Künstler noch aureichende Gewinne erzielt zu haben. Zahlreiche Künstler bestreiten ihren Lebensunterhalt in ihren Anfangsjahren eher durch Subventionen aller Art und/oder geringfügige Nebentätigkeiten. Aber wie will der Magistrat dann in Zukunft beurteilen, ob bei Künstlern in den vorausgegangenen fünf Jahren eine vollzeitige fotografische Tätigkeit vorgelegen hat, wenn weder ein steuerlicher Nachweis noch eine Künstler-Versicherung (auf Grund der Befreiungsmöglichkeit) gegeben wäre?
Viel schwerer fällt aber noch ins Gewicht, dass ein zukünftiger Verzicht auf den Nachweis einer „befähigungsnachweisrelevanten Ausbildung“ (und eine Anerkennung allein in Folge einer fünfjährigen Tätigkeit als Pressefotograf bzw. als Künstler) zwangsläufig in Folge auch die Notwendigkeit der Voraussetzung dieser Ausbildung als Berufsqualifikation an sich verneint. Was bedeutet das in der Praxis? Wenn allein eine – überspitzt formuliert – fünfjährige „Wartefrist“ als Zugangsvoraussetzung in Kraft treten soll, lässt sich der rein protektionistische Charakter einer derartigen Regelung keinesfalls länger abstreiten. Wie aber schon an anderer Stelle erklärt, sind alle Zugangsbeschränkungen, die nicht sachlich zu rechtfertigen sind, als wettbewerbsverzerrend anzusehen und abzuschaffen. Eine dergestalte „Wartefrist“, die in geplanter Form auch ein Novum im Gewerberecht darstellen würde – Wartefristen sind zum Beispiel eher bei Staatsbürgerschaften, Akkreditierungen und anderen, gewöhnlich als „Privilegien“ anzusehenden Anträgen üblich – könnte mit Sicherheit nicht länger den stets sachlich zu rechtfertigenden Anforderungen an gewerbliche Zugangsbeschränkungen genügen, sie wäre somit vom ersten Tag an rechtswidrig und außer Kraft zu setzen.
Die Schwierigkeiten in der Anwendung wären also schon in mehrfacher Hinsicht vorprogrammiert, und die Variante der Anerkennung nach fünf Berufsjahren muss als unausgegorener legislativer Pfusch betrachtet und strikt abgelehnt werden! Demgegenüber hat der – wie ursprünglich geplante – simple Entfall von Ziffer 20 keine „Nebenwirkungen“, da bestehende Rechte nicht berührt werden, und für alle Antragsteller völlige Rechtsgleichheit herrschen wird. Meister können ihre Ausbildung auch in Zukunft als Wettbewerbsvorteil einsetzen. Den zukünftigen Mehrwert der Meisterprüfung ernsthaft anzuzweifeln würde wohl zwangsläufig ebenso den derzeitigen Nutzen anzweifeln lassen, oder umgekehrt formuliert: Der Wert und Nutzen der Ausbildung (Meisterprüfung) wird sich durch die Freigabe ja nicht ändern – oder er wäre bereits jetzt nicht gegeben.
Als Draufgabe steht bereits die nächste Richtlinie der Europäischen Union ins Haus, nach welcher die Reglementierungen von Gewerben, die nur in wenigen oder einzelnen Staaten in Kraft sind, konsequent beseitigt werden sollen. Unter diesem Aspekt eine zu begrüßende und schon dringend anstehende Freigabe noch schnell – und entgegen den Vorgaben des Ministerrats – „hinterrücks“ abschießen zu wollen, nur um den nationalen Pfründewahrern noch eine kurze Zeit lang gefällig zu sein, kann eigentlich schon nur mehr als „Euro-Masochismus“ bezeichnet werden.