Seit der Initiative von über fünfzig Berufs- Meister- und Pressefotografen für die Freigabe des Gewerbes der Berufsfotografen gehen die Meinungen auch zwischen den Berufsfotografen unter einander deutlich auseinander. Während die Initiatoren der Freigabe-Initiative und ihre Unterstützer einer modernen Sichtweise des Berufsbildes anhängen und Regulierungen und marktverzerrende Maßnahmen eher ablehnen, stemmt sich ein Teil der Branche vehement weiterhin gegen die Freigabe. Obwohl sich dieser Teil als Hüter von meisterlicher Qualität, Anstand und Moral geriert, ist den Fraktionären ein echtes marktwirtschaftliches Denken weitgehend fremd. Werbung? Pfui! Die gesamte Branche funktioniert in Österreich seit längerem nach dem Prinzip einer „Geschützten Werkstätte“ (Zitat: S.L.) mit verteilten Revieren.
Gut, viele der Berufsfotografen sind modern denkende, fähige und kompetente Dienstleister – aber viele Autodidakten auch. Es gibt keinen Grund, warum nicht das (wohlgemerkt eigene!) Portfolio eines Fotografen für den Kunden ausschlaggebend sein dürfte, an wen dieser einen Auftrag vergeben will. Egal, ob nun an einen Profi mit oder ohne Meisterbrief, einen begnadeten Amateur oder auch an einen Blümchenknipser – falls der Kunde das nur selbst so wünscht. Wohl am stärksten innerhalb Europas glaubt man in Österreich nach wie vor daran, an Stelle der Kunden entscheiden zu müssen, was gut (und teuer?) zu sein hat, und was auf den Markt darf und was nicht. Wohin diese Strategie letztlich führt zeigten uns die Desaster bei den zahlreichen Paradebeispielen gesteuerter Marktwirtschaft – und ein Blick auf die dann eher bescheidenen Portfolios der weniger kompetenten und weniger fähigen Meister bestätigt uns das unmittelbar.
Es ist anzunehmen, dass viele der laut nach Regulierung Rufenden zum Beispiel eine Metro-Karte besitzen (und somit den Einzelhandel schädigen), Teile ihrer Ausrüstung bei Amazon und Foto Walser bestellen, die Büromöbel von IKEA holen, und sich auch sonst über viele dieser Annehmlichkeiten erfreuen, die erst ein freier Waren- und Dienstleistungsverkehr überhaupt mit sich bringt. Mehr noch: Im Hintergrund des Shootings läuft vielleicht mal eine downgeloadete Musik, das Schminkzeugs stammt manchmal vom Bipa um die Ecke, und die neueste Software am Mac oder PC kommt zwischendurch mal schnell „schwarz“ vom besten Freund und Berufskollegen zum Einsatz. Müssten Fotografen alle Vorleistungen und Investitionstätigkeiten, die für ihren eigenen Beruf nötig sind, ausschließlich durch andere und jeweils befugte Meister dieser Gewerbe erledigen lassen, könnten sie selbst vermutlich nie je zu „produzieren“ beginnen, weil ihre Betriebsführung höchst unrentabel wäre. Erst das flächendeckende Angebot an „cash and carry“ und „do it yourself“ Versorgern erleichtert bzw. ermöglicht den Fotografen ihre Existenz, und warum sollen sie dann nicht selbst konsequenter Weise Teil dieses Systems werden? Jede andere geistige Einstellung ist doch zutiefst asozial!
Viele der besser bezahlenden Kunden sind freie Dienstleister oder andere Gewerbetreibende, die freie Gewerbe oder Berufe ausüben. Ihnen im Verlauf der Gewerbedebatte pauschal die mangelnde Eignung für die Teilnahme am wirtschaftlichen Leben engegenzuschleudern, zeugt auch nicht gerade von Sensibilität oder kollegialem Respekt. Jeder Filmemacher kann auch erstklassige „Stills“ anfertigen, jeder Werbetreibende weiß am besten, wie gute Produktfotos auszusehen haben. In einem Kommentar eines deutschen Lehrabsolventen war zu lesen, in fachlicher Hinsicht habe er erst in der an die Lehrausbildung anschließenden (!) Praxis als Pressefotograf gelernt, wie dieser Beruf funktioniert. In Österreich ist diese Kompetenz-Rangordnung genau umgekehrt, aber warum eigentlich?
Ganz ins verzerrte Bild passt auch das vorjährige Husarenstück einiger Standesvertreter der Berufsfotografen:
Wie schon in den Medien und Blogs publiziert wurde, illustrieren selbst Innungsmeister, Innungsmeister-Stellvertreter sowie die Anbieter fotografischer Kurse im WiFi ihre eigenen Publikationen großteils mit Stock-Fotos, und der billige Digitalkopierer erledigt in der Innung den Job einer teureren gewerblichen Druckerei. Wenn aber selbst die Innungsmeister so offensichtlich auf Meisterqualität pfeifen, woher nehmen sie dann das Recht, ihren Mitmenschen die Meisterpflicht so unnachgiebeig aufs Aug‘ drücken zu wollen? Liegt es vielleicht daran, dass sie den Produkten der eigenen Schaffenskraft nicht ausreichend vertrauen, die selbstgesetzten hohen bildästhetischen Ansprüche erfüllen zu können?
Machen also die Standesvertreter nicht selbst die beste „Schleichwerbung“ für die Qualität der Stockfotoagenturen, die anonym sind und somit keinen Unterschied zwischen Meistern und Autididakten machen? Der logische Schluss daraus ist, dass der Kunde in Zukunft selbst entscheiden soll, welchem Fotografen er sein Vertrauen schenkt. Die Betriebe der Meister sind ja als solche weiterhin ausgezeichnet und erkennbar.
Den Meistern sei allerdings an dieser Stelle ins Stammbuch geschrieben, dass die Verwendung von fremden Fotos zur Bewerbung des eigenen Könnens – wie es derzeit auf mehreren Homepages und Broschüren von Berufsfotografen nachweislich gegeben ist – bei weitem kein Kavaliersdelikt ist! Aus Sicht des bürgerlichen Rechts ist die Verwendung fremder Werke zum Zwecke der Bewerbung der eigenen Fähigkeiten – ohne ausreichenden Hinweis darauf – nicht statthaft, und erfüllt im Klagsfall mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatbestand einer „arglistigen Täuschung“. Zitat aus einem Kommentar zum ABGB: „Eine arglistige Täuschung ist also in der Regel dann gegeben, wenn der Täuschende weiß und will, dass der Getäuschte durch die Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Abgabe einer Willenserklärung im Bürgerlichen Recht [Anm.: in der Praxis z.B. ein Auftrag oder eine Bestellung] veranlasst wird. […] Folglich begründet bereits bedingter Vorsatz die tatbestandliche Arglist.“ Au weh!
Jetzt unter uns gefragt: Die Vollfotografen profitieren so sehr vom freien Markt, warum wollen nur sie selbst länger in einem geschützten Bereich tätig sein? Die Antwort mag auf der Hand liegen, aber ist deshalb dennoch nicht weniger unmoralisch.
Deshalb fordern wir weiterhin die völlige Freigabe des Fotografengewerbes, und zwar eine Freigabe ohne wenn und aber!