Das Gewerbe der Berufsfotografen ist derzeit ein Mittelding zwischen Geschützter Werkstätte und Streichelzoo, freier Wettbewerb sieht anders aus. Um einen privilegierten Zustand aufrecht zu erhalten, wurde bestehendes Recht gebeugt und garantierte Grundrechte missachtet. In den anderen Artikeln des Vereins ist auf viele dieser Missstände bereits eingegangen worden. Ein Aspekt blieb jedoch bisher unberücksichtigt, nämlich die Tatasche des Bestehens eines unzulässig beschränkten Ausbildermarktes. Dabei ist diese Beschränkung ebenso kritisch zu hinterfragen wie die Beschränkung des Tätigkeitsumfanges abhängig vom Gewerbeschein oder jene des Marktzugangs selbst.
Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes lässt sich unmittelbar auf die bestehende Situation bei den Fotografen anwenden. Aus diesem geht hervor, dass die Ausstellung von Befähigungsnachweisen ausschließlich durch gesetzlich festgelegte, privilegierte Institutionen laut Verfassung unzulässig sei, vielmehr wäre grundsätzlich auch jede andere Institution als berechtigt anzusehen, die „… alle gesetzlichen Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Ausstellung von Befähigungsausweisen … erfülle und daher den … genannten Institutionen gleichzuhalten wäre.“
Es wurde vom VfGH geprüft, ob es überhaupt verfassungskonform sein kann, wenn (wie in diesem Fall per Gesetz) die Anzahl von Institutionen festgelegt wird, welche exklusiv Befähigungsausweise ausstellen dürfen sollte. Es handelte sich konkret um Befähigungsprüfungen gemäß Seeschifffahrtsgesetz (SeeSchFG). Der Verfassungsgerichtshof erkannte in seinem Rechtssatz mit der Geschäftszahl G277/09 bzw. V108/09, dass die Beschränkung der zur Ausstellung von Befähigungsausweisen berechtigten Institutionen auf eine bestimmte Anzahl derselben grundsätzlich unzulässig sein muss. Vielmehr hätten alle Institutionen, welche die Anforderungen und Voraussetzungen des Gesetzgebers erfüllen können, ein Recht auf Ausstellung von Befähigungsnachweisen. Wörtlich wurde ausgeführt: „Es bleibt daher für den Verfassungsgerichtshof nicht nachvollziehbar, weshalb […] jeweils nur ein Verband geeignet sein soll, die Aufgabe der ‚Ausstellung von Befähigungsausweisen‘ im Sinne des Gesetzes durchführen zu können. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Auffassung, dass es der Gleichheitsgrundsatz gebietet, den Kreis der Ermächtigten nach sachlichen Kriterien zu umschreiben oder festzulegen.“ Und weiter: „Es ist nämlich nicht von vornherein davon auszugehen, dass alle anderen Anbieter – unabhängig von ihrem Organisationsgrad und ihrer Sachkompetenz – nicht im Stande wären, die vom Gesetzgeber intendierte qualitativ gesicherte Leistung zu erbringen. Der ausnahmslose und zeitlich unbefristet durch Gesetz normierte Ausschluss aller anderen Anbieter von Kursen … – unabhängig davon, ob diese Anbieter auf ideeller oder auf Gewinn orientierter Basis tätig sind – von der Möglichkeit, amtlich anerkannte Befähigungsausweise auszustellen, ist unsachlich, da die Mitgliedschaft der beiden im Gesetz genannten Verbände in einem Dachverband – und sei es auch die BSO – die unterschiedliche Behandlung nicht zu rechtfertigen vermag. Eine verfassungskonforme Interpretation des §15 Abs2 SeeSchFG ist angesichts des Wortlauts der Bestimmung, der nur den MSVÖ und den ÖSV ausdrücklich nennt und so auch alle anderen Interessenten, selbst wenn der gleiche Qualitätsstandard vorliegt, davon ausschließt, amtlich anerkannte Befähigungsausweise auszustellen, nicht möglich. §15 Abs2 SeeSchFG ist daher schon deshalb als verfassungswidrig aufzuheben.“
In erster Instanz des Verfahrens hatten Vertreter der Regierung die selbe Ansicht vertreten wie sie auch bis vor kurzem noch bei der Fotografie zu hören war: „Selbst wenn nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes eine Einschränkung der Erwerbsfreiheit vorliegen sollte, wäre diese … gerechtfertigt und damit zulässig.“ (zitiert aus der Verfahrens-Stellungnahme der Regierung)
Im Rekurs entschied der VfGH aber zu Ungunsten der Prüfungsmonopolisten, und erläuterte seine Bedenken gegen eine Alleinstellung von Prüfungsorganisationen (in diesem Fall waren es derer zwei): „Diese Bedenken gingen im Wesentlichen dahin, dass §15 Abs2 SeeSchFG die aus dem Sachlichkeitsgebot erfließende Verpflichtung verletzt, indem nur zwei Vereine als geeignet erachtet werden, die von der Beleihung erfassten Aufgaben wahrzunehmen. So möge es zwar zutreffen, dass der MSVÖ bzw. der ÖSV die größte Anzahl an Mitgliedern der in Österreich niedergelassenen Schifffahrtsschulen umfasst, dies allein dürfte jedoch kein hinreichendes sachliches Kriterium sein, um andere Vereine von vornherein durch Gesetz von der Möglichkeit, amtlich anerkannte Befähigungsausweise auszustellen, auszuschließen. Der Verfassungsgerichtshof konnte keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennen, dass der Gesetzgeber die Privilegierung bloß zweier Vereine, des MSVÖ und des ÖSV, als notwendig erachtet. Es erschien dem Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz vielmehr geboten, dass der Gesetzgeber den Kreis der Ermächtigten nach sachlichen Kriterien umschreibt oder festlegt.“
Nun gibt es auch bei den Fotografen mehrere Möglichkeiten und Wege der Ausbildung, die nach Meinung unabhängiger Experten durchaus auf ausreichendem Niveau stattfinden, bzw. hinlänglich geeignet wären, Fotografen auf den Berufsalltag vorzubereiteten und zu schulen. Nur zwei dieser Ausbildungswege sind jedoch unmittelbar gesetzlich anerkannt, was aus grundsätzlichen Überlegungen ebenso der verfassungsmäßigen Grundlage entbehrt wie die bis vor kurzem bestehende Ausbilderbeschränkung in der Seeschifffahrt. Die bereits eher absurde und unzeitgemäße Fixierung in der Lehrausbildung (Meisterprüfung) auf veraltete Technologien und Verfahren wäre vielmehr geeignet, die Angemessenheit dieser Ausbildung insgesamt in Frage zu stellen, und es wäre die ausbildende Institution – so wie sie jetzt besteht – letztlich als kaum geeignet zu qualifizieren, die Berufsreife zukünftiger Berufsfotografen an Hand zeitgemäßer Kriterien beurteilen zu können.
Der Gesetzgeber erlaubt auch mehrere, parallel zu einander existierende Interessensvertretungen des gleichen Berufsstandes, welche grundsätzlich gleichberechtigt wären. Die Innung der Berufsfotografen genießt einzig und allein das Privileg der gesetzlichen Pflichtvertretung – welche aber eigentlich nur den Schutz der Pflichtmitglieder vor der Willkür und Härte des freien Wettbewerbs durch solidarisierende Organisation zum Zweck hatte, und nicht als einziges Instrument zur Marktlenkung dienen sollte. Entscheidet eine Pflichtvertretung so wesentlich über den Marktzugang, wie es derzeit noch der Fall ist, verletzt dies gleich mehrere Rechtsgrundsätze. Die Aufstellung von Normen und Vorschriften, und, überspitzt formuliert, die „Allmacht“ darüber zu entscheiden, wer wann und in welchem Umfang beruflich fotografieren darf (und wer gegebenenfalls auch nicht) hat ausschließlich dem Gesetzgeber zu obliegen, nicht aber einer nur indirekt legitimierten Standes- bzw. Pflichtvertretung. Auch die Anforderungen an den Berufsstand hätten allein abstrakt durch den Gesetzgeber zu erfolgen. Aus dem Spruch der Höchstrichter im Seerechts-Urteil: „Es erschien dem Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz vielmehr geboten, dass der Gesetzgeber den Kreis der Ermächtigten nach sachlichen Kriterien umschreibt oder festlegt.“
Jeder Ausbilder, der in Folge die vom Gesetzgeber im Detail festgelegten Anforderungen erfüllen könnte, wäre dann zu der Ausstellung von Befähigungsnachweisen berechtigt. Derzeit dürfte aber wohl nicht einmal die Innung selbst Befähigungsnachweise ausstellen, da „Fachgespräche“ und (vermutlich auch nicht ohne Grund) unter Verschluss bleibende Prüfungsresultate sich einer unabhängigen Überprüfung konsequent entziehen, und somit niemals der verfassungsrechtlichen Forderung nach einer sachlich-objektiven Prüfung der Kenntnisse von Berufsanwärtern, und zwar unter garantiert identen Prüfungsbedingungen, entsprechen können.
Als (gleich)berechtigte Ausbilder hätten in Zukunft auch zahlreiche andere auf Fotografie spezialisierte Ausbildungsinstitute zu gelten, und dies – seit dem EU-Beitritt verpflichtend – europaweit gleich berechtigt! Jede Ausbildung die in einem Staat Europas absolviert wurde hat in allen anderen Staaten der EU als gleichwertig anerkannt zu werden, und gibt es in einem Staat eine Ausbildung die es im restlichen Europa nicht gibt – wie im Falle der Fotografie – haben statt dessen die Jahre der Berufspraxis (im Falle der Fotografie sind das je nach den Umständen zwischen zwei und maximal fünf Jahre vollzeitiger fotografischer Tätigkeit) als Nachweis der Qualifikation auszureichen. Dies schreibt die Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen fest, welche für die Innung aber derzeit keinerlei Relevanz zu haben scheint! Stattdessen gibt die Innung am laufenden Band ihre – rechtswidrig als „Gutachten“ bezeichneten – Stellungnahmen ab, welche in Folge zu ungerechtfertigten Ablehnungen führen. Dies ist jedoch eine willkürliche Kompetenzanmaßung, insbesondere da, wie eingangs ausgeführt, die Forderung nach einer objektiv belegbaren und alle Beteiligten gleich behandelnden Praxis duch den Verfassungsgerichtshof in seinem Rechtssatz unmissverständlich vorgeschrieben wurde: „Selbst wenn es zutrifft, dass nur der MSVÖ und der ÖSV […] über einen entsprechenden Organisationsgrad und hohe Sachkompetenz verfügen, vermag dieses Argument alleine den Ausschluss aller anderen Anbieter von Kursen […] von der Befugnis zur Ausstellung von Befähigungsausweisen nicht zu begründen.“
Unter diesen Aspekten ist die Freigabe des Gewerbes sicherlich die einfachste Art, den „Gordischen Innungsknoten“ vergleichsweise elegant zu entwirren, und derart in Zukunft für mehr Rechtsgleichheit, eine bessere Chancengleichheit und eine wesentlich praxistauglichere Ausbildung der nächsten Generation an Fotografen zu sorgen. Die irrlichternden Rufe einiger Innungsfunktionäre nach einem Fortbestand der alten, rechtswidrigen Praxis mögen geflissentlich überhört werden.
Der Spruch im Original: Rechtssatz G277/09; V108/09